In der Schweiz werden Bohrungen in den meisten Fällen vertikal ausgeführt und für unterschiedliche Zwecke eingesetzt. Zum Beispiel für die Erkundung des Untergrundes und für die Erschliessung und Nutzung von Grundwasser. Besonders für zweites ist ein Paradigmenwechsel von der Vertikalen in die Horizontale eine prüfenswerte Alternative.

HDD-Brunnen (HDD = horizontal directional drilling)
Die Horizontalbohrtechnik wird in der Schweiz beim grabenlosen Verlegen von Leitungen (HDD-Bohrungen) eingesetzt. Ebenfalls bekannt sind Horizontalfilterbrunnen, bei denen mehrere horizontale Filterstränge aus einem grosskalibrigen Schachtbauwerk einen Grundwasserleiter erschliessen. Im Gegensatz zu konventionellen HDD-Bohrungen, verfügt ein HDD-Brunnen über eine Filterstrecke und wird ohne Schachtbauwerk verlaufsgesteuert von der Oberfläche her in den Grundwasserleiter gebohrt.

konventioneller Horizontalbrunnen
HDD Horizontalbrunnen

Die HDD-Technologie ist insbesondere auf dem amerikanischen Kontinent stark verbreitet. In Europa erlebte sie in den 90er-Jahren einen ersten Boom. Neben dem grabenlosen Leitungsbau wurden damals auch HDD-Brunnen gebohrt und zur Entwässerung von Tagebauten, bei Altlastensanierungen und zur Grundwassergewinnung eingesetzt. Zwischenzeitlich hat sich die Technologie weiterentwickelt, konnte sich aber in der Schweiz mit Ausnahme vom grabenlosen Leitungsbau nicht etablieren.

Wieso eigentlich?
Dieser Frage gingen wir von GEOTEST AG im Rahmen eines internen Innovationsprogramms nach. Wir knüpften Kontakte und führten Diskussionen mit Fachspezialisten. Die Bereitschaft sich mit uns auszutauschen war gross und wurde auch dadurch erleichtert, dass Besprechungen einfach als Videokonferenzen organisiert werden konnten – wenigstens eine positive Auswirkung der Corona-Pandemie.

In den Gesprächen stellte sich heraus, dass die Technologie heute soweit ist, dass es für Lockergesteine (Kiese, Gerölle und Blöcke) und Festgesteine (mürbe und harte) erprobte Bohrwerkzeuge und -verfahren gibt. Besonders herausfordernd bei HDD-Brunnen ist jedoch die Verwendung der richtigen Bohrspülung. Sie muss nicht nur den Bohrfortschritt und die Bohrlochstabilität gewährleisten, sondern auch das umgebende Gestein möglichst wenig beeinträchtigen (Stichwort: Filterkuchen). Heutzutage werden deshalb für HDD-Brunnen nicht mehr Bohrspülungen auf Bentonitbasis, sondern Polymerspülungen eingesetzt, die aus Sicht des Gewässerschutzes unbedenklich sind. Neben der Bohrspülung ist die Wahl geeigneter Filterrohre wichtig. Die Rohre müssen für einen Einzug in ein mehr oder weniger horizontal verlaufendes Bohrloch mit vorgegebenen Krümmungsradien geeignet sein. Geeignete Filterrohrtypen sind auf dem Markt erhältlich und in vielen Projekten im Ausland erprobt.
 

Nach diesen Erkenntninssen stellt sich für uns die Frage nach dem wieso nicht mehr. Vielmehr muss sie lauten: Wo können HDD-Brunnen in der Schweiz eingesetzt werden und welche Vorteile weisen sie gegenüber vertikalen Filterbrunnen auf?


Anwendungsmöglichkeiten für HDD-Brunnen
Trinkwasserversorgung:
Beim Bau von neuen Grundwasserbrunnen, respektive Ersatzbauten mit Förderleistungen von mehreren 1000 l/min, stellen HDD-Brunnen eine prüfenswerte Alternative dar. Einerseits kann die erforderliche Förderleistung mit einem HDD-Brunnen anstelle von mehreren grosskalibrigen vertikalen Brunnen sichergestellt werden. Potenziellen Schutzzonenkonflikten kann andererseits mit einem geschickten Verlauf des HDD-Brunnens ausgewichen werden. Zu guter Letzt können HDD-Brunnen auch aus wirtschaftlicher Sicht vorteilhaft sein. Ein HDD-Brunnen ersetzt mehrere Vertikalfilterbrunnen:

konventionelles Brunnenfeld
HDD-Brunnen

Geothermie:
In der Schweiz stellt die thermische Grundwasserwärmenutzung aus flachliegenden (Lockergesteins-)Grundwasserleitern eine etablierte Technologie dar. Die Technologie ist inzwischen so erfolgreich, dass viele Anlagen gebaut wurden und die Grundwasserleiter thermisch stark ausge- oder gar übernutzt werden. Auch hier stellen HDD-Brunnen eine prüfenswerte Alternative dar:
 

  1. Die thermische Leistungsfähigkeit einer solchen Anlage ist grösser und kann mehr Abnehmer versorgen.

  2. Nutzungskonflikte mit bestehenden Anlagen können durch geschickte Anordnung der HDD-Brunnen minimiert werden.

  3. HDD-Brunnen, insbesondere auch in geringmächtigen Grundwasserleitern, können beachtliche thermische Leistungen erzielen. Damit können auch sogenannte «Grundwasser-Randbereiche» interessant für eine thermische Nutzung werden.


Umwelt:
Bei Sanierungsmassnahmen von grossen Deponien / Altlasten werden häufig Drainagewände gebaut, die aus einer Vielzahl von vertikalen Drainagebrunnen bestehen. Lassen es die Platzverhältnisse zu, sind solche Massnahme umsetzbar. Wäre es aber nicht auch denkbar, anstellen einer Drainagewand einen horizontalen HDD-Brunnen einzusetzen? Oder wie wäre es im Bereich von in-situ Sanierungen («Pump and Treat»), wo horizontale HDD-Brunnen eine gegenüber vertikalen Brunnen effektivere Sanierung zulässt? In beiden Fällen stellen HDD-Brunnen eine prüfenswerte Alternative dar.
 

Massenbewegungen:
Bei Rutschungen kommen den Wasserwegsamkeiten, gepaart mit hohen Porenwasserdrücken bei der Sanierung, häufig eine entscheidende Rolle zu. Zwecks Verminderung der treibenden Kräfte, werden dann Eingriffe in Form von Entwässerungsbohrungen oder gar bergmännisch aufgefahrenen Drainagestollen in den Hang- und Felswasserhaushalt vorgenommen. Auch hier können HDD-Brunnen eine prüfenswerte Sanierungsvariante darstellen. Zu klären sind insbesondere die Wirtschaftlichkeit und die Effektivität gegenüber den etablierten Entwässerungsmethoden.
 

Fazit
Aus unserer Sicht stellen HDD-Brunnen definitiv eine interessante Alternative dar. Es ist an der Zeit, dass HDD-Brunnen auch in der Schweiz zum Einsatz kommen. Wenn Sie auch dieser Meinung sind, dann freut es uns, Sie bei der Planung Ihres HDD-Projektes zu unterstützen.