Kann die BIM-Methode den Gebäudeschutz vor permanenten Rutschungen verbessern?
Permanente Rutschungen führen aufgrund von Gefährdungsbildern wie erhöhter Erddruck oder differentielle Bodenbewegungen zu massiven Gebäudeschäden durch Verkippungen, Verwindungen und Setzungen. Die Planer stehen vor der Herausforderung, derartigen Einwirkungen auf das Tragwerk eines Bauwerkes mit geeigneten baulichen Massnahmen entgegen zu wirken. Die neuen Formen der Zusammenarbeit bei der Anwendung der BIM-Methode und der zentrale Informationsaustausch über das digitale Bauwerksmodell (DBM) unterstützen die beteiligten Fachpersonen dabei.
Geologische Informationen im digitalen Bauwerksmodell
Das vom Schweizer Geologenverband CHGEOL initierte und von der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung Innosuisse mitfinanzierte Innovationsprojekt stellt die Frage nach der Integration der Geologie und Geotechnik in die Anwendung der BIM-Methode.
Ein gängiges und international standardisiertes Format zum Datenaustausch in der Bauindustrie sind die Industry Foundation Classes, kurz IFC4. Der derzeit gültige Standard ist allerdings noch nicht explizit für geologische und geotechnische Anwendungsfälle konzipiert. Der Einbezug geologischer Fachexpertise ist jedoch insbesondere für den Tiefbau und die Naturgefahrenprävention zentral. Zur Abbildung der Geologie vertraut GEOL_BIM deshalb auf das international etablierte konzeptionelle Datenmodell GeoSciML 4.1.
Mit Hilfe von eigens für geologische Anwendungsfälle konzipierten Workflows wurden mit GEOL_BIM exemplarisch für Rutschgebiete als relevant erachtete Informationen nach IFC überführt. Die beiden Abbildungen unten zeigen ausgewählte Ergebnisse im BIM-Viewer als Illustration am Beispiel der Rutschung Chratzera in Grindelwald.
Risikooptimierte Planung und Bewirtschaftung
Die Anwendung der BIM-Methode3 auf permanente Rutschungen dient der Minimierung von Risiken durch diese Naturgefahr und soll die Funktionalität eines Gebäudes über dessen gesamte Lebensdauer gewährleisten. Zur Optimierung des Informationsflusses wurde deshalb eine Prozesskarte nach der IDM-Methode erarbeitet. Diese bildet die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure über den Lebenszyklus eines Bauwerkes hinweg ab.
Grundlegend für einen optimalen Planungsprozess ist eine sorgfältige Erstabklärung der Gefährdung zu Beginn eines Projektes. Diese Vorgehensweise verhindert Überraschungen in späteren Projektphasen und erweitert den Handlungsspielraum für planerisch elegante Lösungen. Denn Projektänderungen oder nachträglich hinzugefügte Schutzmassnahmen können für die Bauherrschaft erhebliche Mehraufwände und -kosten bedeuten.
Eine wesentliche Grundlage für die Abklärung der Gefährdung sind nebst geologischen Grundlagendaten wie geologische Karten oder bestehende Bohrungen die kantonalen Gefahrenkarten. Mit der Ausscheidung der Rutschflächen und deren Attribuierung mit Eigenschaften der Rutschung stellen sie einen einfach zugänglichen und trotzdem informationsreichen Datensatz dar, der die Rutschbewegung und die dadurch resultierenden Einwirkungen auf Bauwerke charakterisiert. Aktuelle Gefahrenkarten sind für viele Siedlungsgebiete vorhanden. Zusätzlich können gebietsweise weitere Informationen wie Verschiebungsvektoren, Inklinometerdaten, geophysikalische Profile, hydrogeologische Daten und dokumentierte Schäden vorhanden sein.
Die erarbeitete Prozesskarte sieht auch Unterhaltsmassnahmen vor. Die Aussicht auf ein geringeres Schadenausmass soll die Bauherrschaft motivieren, eine regelmässige, z. B. jährliche oder zweijährliche, Prüfung des Bauobjektes durchzuführen. Diese kann je nach Gefährdungsbild und Bewegungsraten visuell erfolgen oder mittels Lage-Sensoren und Messmarken. Ein minimaler Ansatz könnte sein, dass bei der Inbetriebnahme eine präzise Nullmessung der Gebäudelage (Koordinaten, Winkel der Aussenwände) durchgeführt wird. Bei Verdacht auf Verkippungen, Verwindungen oder Setzungen dient diese Nullmessung später als Referenzwert.
Wertvolle Informationen aus dem Unterhalt und Schadensmeldungen
Aus einem mit Bedacht geplanten und durchgeführten Unterhalt und Schadensmeldungen lassen sich neue Informationen für die Prävention gewinnen. Erkenntnisse, die auf Systemveränderungen der Rutschung hindeuten, könnten eine ereignisbezogene Revision der Gefahrenkarte und gebietsspezifische Untersuchungen auslösen. Somit liesse sich die Erneuerung der Gefahrengrundlagen evidenzbasiert priorisieren und Bauvorhaben könnten von den aktuelleren und möglicherweise aussagekräftigeren Daten profitieren. Die verbesserte Datengrundlage dient nebst der Planung auch der späteren Validierung von Sanierungsmassnahmen (z. B. Drainagen) zur Verlangsamung der Rutschbewegungen.
Damit macht GEOL_BIM erste Schritte in Richtung einer digitalen Durchgängigkeit und ermöglicht die medienbruchfreie Kommunikation über verschiedene Fachexpertisen hinweg. Für den Umgang mit den Unsicherheiten und Risiken des Untergrundes eröffnet sich ein Feld neuer Möglichkeiten. Insbesondere hinsichtlich der Einwirkungen auf Tragwerke von Gebäuden und Infrastrukturbauten kann die Planung und Ausführung von Schutzmassnahmen sowie der Unterhalt optimiert werden.
Innovationsprojekt GEOL_BIM
Für die Umsetzung des Innosuisse-Projekts GEOL_BIM zeichnen sich die Landesgeologie von swisstopo und das Institut Digitales Bauen FHNW unter der Leitung des Schweizer Geologenverbandes CHGEOL verantwortlich. Das Projekt ist breit abgestützt durch namhafte Unterstützung aus der Privatwirtschaft sowie von Behörden und Verbänden.
Weiterführende Links:
schutz-vor-naturgefahren.ch
Schweizer Geologenverband CHGEOL